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Flugreise mit Instrument

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Ob im Handgepäck, auf einem zusätzlichen Sitzplatz oder im Frachtraum: Die Mitnahme von Musikinstrumenten an Board ist eine heikle Angelegenheit. Wir haben uns umgehört und einen ausgewiesenen Kenner dieser Problematik um Rat gefragt.

 Vom Gate aus aufs Rollfeld geblickt, erlebt man immer wieder das bekannte Schauspiel: Mit leuchtenden Warnwesten bekleidete Protagonisten verladen emsig Gepäckstücke. Man möchte dem Bodenpersonal, das da Tag für Tag einen harten Job zu bescheidenem Lohn macht, gewiss nichts unterstellen. Kalt jedenfalls lässt einen das Spektakel selten. Allein schon wegen der Geschwindigkeit, mit der ein Koffer nach dem anderen im Bauch des Flugzeugs landet, bekommt man ein mulmiges Gefühl. Oft werden die verpackten Habseligkeiten geworfen, als handle es sich um eine Jonglage-Nummer oder einen Weitwurfwettkampf. Sein Musikinstrument für den Frachtraum aufgeben? Unvorstellbar!

Was sind die Alternativen, wenn man aufs Fliegen angewiesen ist? Etliche Airlines schreiben vor, einen zweiten Sitzplatz zu buchen, wenn das Musikinstrument beziehungsweise der Koffer, in dem es sich befindet, die Dimensionen eines normalen Handgepäcks – Abmessungen variieren je nach Airline! – überschreitet. (Das gilt auf jeden Fall für Celli, nicht selten aber auch für Bratschen.) SWISS beispielsweise handhabt es so. Auf der Webseite der Lufthansa-Tochtergesellschaft heisst es, die doppelte Sitzbuchung habe übers Reisebüro oder direkt über die Airline zu erfolgen, wobei zu beachten sei, dass der Transport in der Kabine von den Massen der Sitze und vom jeweiligen Flugzeugtyp abhänge.

Wenn das Instrument auch diese Masse überschreitet, bleibt nur der Frachtraum, oder, wie es harmlos heisst, die Aufgabe als «registriertes Gepäck». Ein grosser deutscher Musikinstrumentenversicherer empfiehlt, sich bei der jeweiligen Fluggesellschaft zu erkundigen, ob man «Artwork» aufgeben könne. Dabei handelt es sich um wertvolle, hochempfindliche Gegenstände, die zwar ebenfalls im Frachtraum, aber in einem abgetrennten, klimatisierten Sonderbereich untergebracht werden. Das Instrument bleibt dann von der regulären Gepäckabfertigung verschont, da es von einem gesonderten Raum am Flughafen, wo man es (in aller Regel) in vertrauenswürdige und kompetente Hände gibt, direkt zum Flugzeug gebracht wird. Doch das ist oft ein kostspieliges Unterfangen.

Es gibt sie, die musikerfreundlichen Airlines. Doch sie bilden eine kleine Minderheit: Nur dreizehn Anbieter hat die Internationale Musikerföderation (FIM) in einer insgesamt 114 Fluggesellschaften zählenden Ampel-Liste gut benotet (grün), darunter acht nordamerikanische, vier europäische und eine israelische. 71 Airlines sind der Kategorie rot zugeteilt. Bei ihnen unterliegen Musikinstrumente denselben Grössenbeschränkungen wie normales Handgepäck. Bei 30 Airlines immerhin fallen die Bestimmungen für die Mitnahme von Instrumenten etwas günstiger aus: Eurowings, easyJet, Alitalia, British Airways, Qatar Airways und Norwegian Airlines etwa zählen dazu. Fluggesellschaften, von denen man anderes erwarten würde, bieten gar keine spezifischen Serviceleistungen für Reisende mit Musikinstrumenten an, so auch Lufthansa, SWISS, Austrian, Air France, Etihad Airways, Finnair und Singapore Airlines.

Dass ausgerechnet die nordamerikanischen Konzerne gut abschneiden, liegt an einer vom US-Kongress verabschiedeten Gesetzgebung, die seit März 2015 in Kraft ist. In Europa sind vergleichbare Bemühungen gescheitert. Zwar hat das Europäische Parlament bereits 2014 mit überwältigender Mehrheit eine neue Verordnung verabschiedet, doch der Europäische Rat stellte sich quer. Wieso klappt in Europa nicht, was in den USA seit nunmehr drei Jahren funktioniert? «Wenn jemand besonders auf Gewinnmaximierung aus ist, dann sind es allein schon von ihrer Unternehmensphilosophie her die amerikanischen Airlines», so Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). Ein grosses Problem sieht er in Europa darin, dass die Beförderungsbedingungen bei Weitem nicht immer verbindlich sind. Obgleich diese in Handbüchern und auf Webseiten stehen würden, sei auf die konsequente Handhabung kein Verlass. «Immer wieder hatten wir Fälle, in denen ein Musiker am Flughafen unangenehm überrascht wird», so Mertens. «Wenn man sein Instrument für den Frachtraum abgeben muss, steht man vor dem Dilemma, entweder zum Reiserücktritt gezwungen zu sein oder den Versicherungsschutz für sein Instrument zu verlieren.

Derzeit führt Mertens Gespräche mit der Lufthansa Group, zu der auch SWISS und Austrian zählen. Die Hoffnung ist, dass sie sich an Air Canada, die im vergangenen Jahr mit dem «FIM Airline of Choice Award» ausgezeichnet wurde, ein Beispiel nehmen. «Musiker können mit ihrem Instrument ähnlich wie Senatoren, VIP-Fluggäste oder auch Familien mit kleinen Kindern als erste an Board gehen und sind damit sicher, dass zumindest Geige, Bratsche oder Blasinstrument einen Platz im Handgepäckfach bekommen. Air Canada ist so kulant, dass sie auch solche Instrumentenkästen zulassen, welche die gewöhnlichen Höchstmasse überschreiten. Mit diesem Beispiel versuchen wir, auf grosse Airlines zuzugehen. Aktuell stehen wir in Verhandlungen mit der Lufthansa Group, und somit auch mit den Tochtergesellschaften SWISS, Austrian und City Line. Zumindest konnten wir für die Gepäckmitnahme in speziellen Transportkisten im Frachtraum gute Fortschritte verbuchen. In einem zweiten Schritt geht es um die Mitnahme der Instrumente in der Kabine.» Das Thema sei sehr komplex, gibt Mertens zu bedenken. «Wichtig ist, dass die errungenen Standards von der jeweiligen Airline verlässlich praktiziert werden.» Auf die Frage, was man als Musiker beachten solle, bevor man einen Flug antritt, antwortet Mertens prompt: «Grundsätzlich per Telefon buchen». Man gehe ein hohes Risiko ein, wenn man online bucht. «Vielleicht bekommt man am Telefon nicht gerade den allergünstigsten Preis, aber der zusätzliche Aufwand lohnt sich allemal.»

Sie treten bald eine Flugreise mit einem Instrument an oder haben eine solche hinter sich? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ganz gleich, ob sie gut oder schlecht waren: Teilen Sie sie dem SMV mit, oder wenden Sie sich direkt an die Internationale Musikerföderation. Auf der Webseite der FIM finden Sie ein Rückmeldungsformular. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit zum sorgfältigen Ausfüllen. Es dient der Erweiterung und Aktualisierung des erwähnten Ampel-Rankings. Ihre Kolleginnen und Kollegen werden es Ihnen danken!

Johannes Knapp, 26. April 2018