von Johannes Knapp
Im August ist die vielbeachtete Open-Air-Produktion von Verdis «Aida» am Pfäffikersee über die Bühne gegangen. Die Debatte um eine faire Entlohnung der Musikerinnen und Musiker ist damit noch nicht beendet.?
In manchen Opernhäusern komme man zu weit von dem ab, was früher Oper war. Sergio Fontana, künstlerischer Leiter des Open-Air-Festivals «La Perla», mag mit dieser Einschätzung mitunter recht haben, wenn man bedenkt, dass Aida für so manche Regisseure lediglich ein Angriffsziel für Kritik darstellt, sei es am Militarismus, an der Kirche, am Imperialismus, am Kolonialismus – was auch immer. Dass es sich bei Aida auch um ein Kammerspiel dreier Liebender handelt, wird oft ausgeklammert. Die intimen Momente kommen bei einer Open-Air-Veranstaltung wegen produktionsbedingter Umstände indes nur bedingt zum Tragen, selbst auf der mitten im Naturschutzgebiet platzierten Bühne am Pfäffikersee. Angesichts enormer Distanzen zwischen Szene und Publikum und der dortigen akustischen Gegebenheiten ist das verständlich. Seelenarchäologie schien dem Regisseur Pier Francesco Maestrini anscheinend auch nicht so wichtig gewesen zu sein, sondern die spektakulären Momente der Oper, zu denen die malerische Naturkulisse ihr Übriges beitrug. Und eine kritikübende Regie wäre in Pfäffikon wohl nicht wünschenswert gewesen. Wieso auch? Damit hätte man nur dem mehrheitlichen Publikumsbedürfnis widersprochen.
«Hochwertiges Opernspektakel» angestrebt ?
Es ging um ein Event der gehobenen Art, bei dem sich jeder Besucher wie ein VIP fühlen soll. «Deshalb muss alles topklasse sein, von der Produktion über die Location und Gastronomie bis zum Auftritt der Sponsoren.» Das sei der Anspruch der Organisatoren, so Geschäftsführer George Egloff. Der einstige CEO von Ticketcorner arbeitet professionell, daran ist nicht zu zweifeln. Beim Durchblättern des reich mit Werbung bebilderten Programmbuches fällt bald ins Auge, dass sich ein primär unternehmerisches Denken darin niedergeschlagen hat. Über die Musik werden wenige Worte verloren, schliesslich ist sie doch nur eine Begleitung des aufwändigen Bühnenspektakels, oder? Aber um was geht es denn dann? Worin liegen Sinn und Erfolg einer solchen Veranstaltung begründet? Egloff, Initiator und Macher des Festivals, hat eine eindeutige Antwort: «Das war eine hochwertige Sache», solle jeder Besucher sagen können. Auf der Webseite des Egloff-Managements findet man tatsächlich das Rezept zum Erfolg: unternehmerisches Spezialwissen gewinnbringend und erfolgreich einsetzen, neue Einnahmequellen erschliessen und Kosten einsparen. Letzteres, so wurde in den Medien unlängst bekannt, bei den Orchestermusikern. Und zwar massiv: Für eine Vorstellung waren laut Vertrag 130 Franken, für eine Probe 80 Franken vorgesehen, wobei in diesen Honoraren 30 Prozent als Abgeltung für Verpflegung und Kleidung enthalten sind. Folglich betrugen die Brutto-Löhne 91 Franken für eine Vorstellung und 56 Franken für eine Probe. Das Schlechtwetter-Risiko wurde vertraglich auf die Musiker abgewälzt, was schlichtweg unzulässig ist: «Kein Honorar wird für eine mindestens 4 Stunden vor Vorstellungsbeginn per Mail oder SMS abgesagte Vorstellung gezahlt.» Darunter ein etwas schleierhafter Passus: «Bei abgesagten und nicht nachgeholten Vorstellungen werden wir im Rahmen der dafür budgetierten Honorare eine proportionale Vergütung an die betroffenen Mitwirkenden nachträglich vornehmen.» Desweiteren: «Es können leider für dieses Projekt grundsätzlich keine Fahrtspesen übernommen werden.» Eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass einige Musiker tagtäglich weite Strecken zurückzulegen hatten.
Für die Produktion konnte das Symphonische Orchester Zürich (SOZ) gewonnen werden, wobei dessen Künstlerischer Koordinator Werner Schmitt mit der Festival La Perla AG einen Pauschalvertrag abgeschlossen hat, über den beidseitiges Stillschweigen herrscht. Das SOZ formiert sich aus einem über 150köpfigen Musikerpool heraus. Zahlreiche der zunächst angefragten professionellen und überwiegend freischaffenden Musiker haben wegen der Konditionen allerdings abgesagt, so dass für manche Instrumentengruppen bis kurz vor Probenbeginn Ende Juli Ersatz organisiert werden musste. Das Orchester sei, wie ein Musiker in der Vorstellungspause lakonisch meint, «einfach zusammengekratzt». Bezüglich der «sul palco»-Musiker im zweiten und vierten Akt hat man sogar ganze Partien gestrichen. Wenigstens wurden sie, wenn auch nur teilweise, vom Blech im Graben übernommen. Darüber hinaus hat man den Aida-Trompetern No-Name-Fanfarentrompeten ohne Seriennummer und mit teilweise falschen Stimmungen zur Verfügung gestellt. Von ihnen ist der Verantwortliche mehrfach gebeten worden, angemessene Instrumente zu beschaffen. Ohne Erfolg. Stattdessen mussten sich die Musiker Beschwerden anhören, sie würden wie Schüler spielen.
«Ein professioneller Musiker gibt sein bestes und schiebt die Schuld, wenn etwas misslingt, nicht gleich auf das Instrument», so einer der Aida-Trompeter. «Doch man muss irgendwann zugeben, dass es nur Spielzeuginstrumente sind.»