Wie eine neue Umfrage aufzeigt, ist der Kultursektor im Moment noch weit weg von einer Normalisierung. Die Unterstützungsmassnahmen bleiben überlebenswichtig.
Für die Mehrzahl der Kulturschaffenden bleibt die Situation generell nach wie vor prekär und ausserordentlich schwierig, besonders finanziell. Der Rückgang des Publikumsaufkommens geht nicht ausschliesslich auf die aktuellen Einschränkungen zurück, sondern auch auf einen Wandel der Gewohnheiten eines Teils der Zuschauer*innen und Zuhörer*innen, die man erst wieder daran gewöhnen muss, Spass an live dargebotenen Aufführungen und Konzerten zu haben. Auch weitere Umstände lähmen den Aufschwung: der mehr oder weniger beeinträchtigte Gesundheitszustand derjenigen, die am Long-Covid-Syndrom leiden, bei anderen eine gewisse Ängstlichkeit oder mindestens eine grosse Vorsicht, sich an vielbesuchten Orten aufzuhalten, aber auch die Angst, ein Abonnement zu kaufen und es dann nicht ausnützen zu können, wenn sich die Situation (die eigene, die Entwicklung der Pandemie oder noch anderes) verschlechtern sollte. Ausserdem muss man auch die Unsicherheiten der Planung in Betracht ziehen, die Einkommensverluste für Künstler*innen, die sowohl aufgrund fehlender Engagements als auch aufgrund von Verzögerungen und Verschiebungen von Produktionen entstehen können, oder die möglichen Einschränkungen, die Konzerte und Tourneen im Ausland betreffen. Aus diesen Gründen ruft die Taskforce Culture (in welcher der SMV – um es in Erinnerung zu rufen – aktiv mitarbeitet) das Parlament dazu auf, die Covid-Unterstützungsmassnahmen für den Kultursektor bis Ende 2022 zu verlängern. Diese haben gezeigt, wie wichtig sie für das Überleben des Kultursektors sind; ein abruptes Ende dieser finanziellen Unterstützung wäre etwa so wenig sinnvoll wie das Stoppen einer Bluttransfusion für einen Patienten im Moment, wo es ihm allmählich etwas besser geht. In der Tat ist es bereits klar, dass wie in anderen Wirtschaftszweigen (öffentlicher Verkehr, Tourismus, etc.) die Wiederaufnahme einer normalen Tätigkeit im nächsten Jahr noch nicht möglich sein wird. Die vorschnelle Beendigung der Unterstützungsmassnahmen wäre ausserdem nicht weniger kostspielig: die Kosten würden lediglich auf andere Stellen verlagert (zum Beispiel Sozialhilfe statt Nothilfe von Suisseculture Sociale), ganz zu schweigen vom Know-how-Verlust und der Zunahme der Arbeitslosigkeit.
Darlehen sind keine Lösung
Der Bundesrat beabsichtigt, dem Parlament eine Botschaft zur Verlängerung einiger Massnahmen des Covid-19-Gesetzes vorzulegen. Es kommt eine grosse Besorgnis über die Idee auf, die Hilfsmechanismen, die sich bewährt haben, durch einfache rückzahlbare Darlehen zu ersetzen. Das hätte überhaupt keinen Sinn und würde die Pleite von kulturellen Akteuren in einigen Monaten oder in ein oder zwei Jahren nach sich ziehen. Es ist nämlich so, dass die Kulturunternehmen über keinerlei Reserven verfügen, sondern ihr ganzes Geld in die Produktion von künstlerischen Projekten stecken. Das ist ja auch ihr Ziel, ohne das sie die üblichen Subventionen gar nicht erhalten würden. Auf diese Weise decken sie gerade ihre Kosten und erzielen nur selten Gewinn. Ein Darlehen zurückzuzahlen, ist unter diesen Bedingungen unmöglich. Tatsächlich geben – gemäss einer vom Forschungsbüro Ecoplan durchgeführten Umfrage – nur 4% der Unternehmen und 9% der Kulturvereine an, dass ihnen ein solches System, das die bisherigen Massnahmen ersetzen würde, helfen würde. Die überwiegende Mehrheit würde also unter diesem Paradigmenwechsel leiden, der um so unverständlicher wäre, als die Kultur einer der am härtesten betroffenen Sektoren war, besonders aufgrund der vom Bundesrat beschlossenen Einschränkungen. Diese Idee von Darlehen sollte deshalb ganz aufgegeben werden.
Statistiken
Diese Umfrage von Ecoplan, die im letzten Oktober im Auftrag der Taskforce Culture durchgeführt wurde, zeigt übrigens auch auf, wie sehr die Kultur zu einem grossen Teil durch die langen Monate der Pandemie und ihre Konsequenzen in Mitleidenschaft gezogen wurde: Zwei Drittel der Kulturschaffenden bedürfen noch einer Unterstützung und werden auch 2022 von Hilfsmassnahmen abhängig sein. Ohne diese würde sich die wirtschaftliche Lage von mehr als der Hälfte von ihnen deutlich, stark oder sogar existenziell verschlechtern. Bei den Kulturunternehmen geben zwei Drittel und bei den Kulturvereinen 58% an, dass sie noch auf Ausfallentschädigungen und Finanzhilfen für Vereine in der Laienkultur angewiesen sein werden. Trotz dieser Unterstützungen geben zwei Drittel der an der Umfrage Teilnehmenden an, dass sie weniger als 80% ihres Vorjahreseinkommens erzielt haben, und der Anteil der Kulturschaffenden, deren Jahreseinkommen weniger als CHF 40’000 beträgt, ist von 46% (2019) auf 61% (2020) bzw. 57% (2021) gestiegen. Wenn die Unterstützungsmassnahmen 2020 bei den Befragten fast ein Drittel ihres Einkommens ausmachten, so war es 2021 immer noch fast ein Viertel. Was die Kulturunternehmen betrifft, bleibt die Lage äusserst angespannt, da 2020 bei fast drei Vierteln von ihnen der Umsatz unter 80%, und bei knapp der Hälfte sogar unter 40% der vor Corona üblichen Zahlen lag. Für die Hälfte von ihnen lagen die Ticket(vor)verkäufe 2020 unter 20%, und die Zahlen für das laufende Jahr sind nur geringfügig besser. Nicht weniger dramatisch sind die Zahlen der Kulturvereine: 2020 hatten 61% der Befragten und 2021 mehr als die Hälfte weniger als 20% der regulären Einkünfte. Kulturvereine, Unternehmen und Kulturschaffende können daher ohne Unterstützungsmassnahmen nicht überleben. In einer Mitteilung vom 21. Oktober unterstreicht die Taskforce Culture, dass auch entsprechend weniger Gesuche eingehen werden, wenn der Normalbetrieb in der Kultur eintreten werde: Die Verlängerung der Entschädigungsmassnahmen sei also lediglich eine finanzielle Absicherung, die es erlaube, der Zukunft mit etwas Zuversicht entgegenzublicken, während die Bedingungen immer noch äusserst instabil blieben. Nur so sei es den Künstler*innen möglich, so gut es geht ein lebendiges und abwechslungsreiches kulturelles Angebot aufrechtzuerhalten.
Mehr Informationen über die Resultate der Umfrage sowie die Pressemitteilung der Taskforce Culture vom 3. November 2021 finden sie auf der Website www.smv.ch.
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