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Lohnschutz in Gefahr

Für die Schweiz sind geregelte Beziehungen zur EU von grosser Bedeutung. Der Bundesrat hat aber im Mai 2021 die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen für gescheitert erklärt.

Auch für Musiker*innen ist ein Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU von fundamentalem Interesse. Das Studium junger Schweizer*innen in der EU und die Stellensuche in einem EU-Land könnten bei einer Eiszeit in den Beziehungen erschwert werden.

Sondierungsgespräche mit der EU

Das Ende des unwürdigen Saisonnierstatuts und die Einführung der Personenfreizügigkeit mit wirksamen Flankierenden Massnahmen waren grosse Schritte, für die die Gewerkschaften gekämpft haben. Das Rahmenabkommen von 2018 hätte hingegen den Lohnschutz und den Service public verschlechtert. Deshalb hat sich der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) dagegen ausgesprochen. Die EU drängte seit 2019 auf die Unterzeichnung des Abkommens. Nachdem weitere Verhandlungen nicht zu den von der Schweizer Seite geforderten Änderungen führten, wurden die Gespräche vom Bundesrat einseitig beendet. Der Bundesrat hat sich danach für einen Neustart entschieden und Sondierungsgespräche mit der EU geführt. Die bisherige Entwicklung bei diesen Gesprächen ist besorgniserregend. Der SGB schlägt Alarm. An seiner Delegiertenversammlung hielt der SGB fest, dass der Lohnschutz die Voraussetzung dafür ist, dass eine Öffnung gegenüber der EU den Arbeitnehmern nützt. Er hat sich deshalb in Gesprächen mit Bundesrat, Arbeitgebern und Verwaltung dafür eingesetzt, dass die Probleme beim Lohnschutz gelöst werden. Ausser Verschlechterungen liegt aber bis heute nichts Verbindliches auf dem Tisch. Die Schweizer Arbeitsbedingungen und der Service public sind in Gefahr. Die Flankierenden Massnahmen müssen verbessert und nicht verschlechtert werden.

Eine Resolution der Delegiertenversammlung

An seiner Delegiertenversammlung verabschiedete der SGB eine Resolution, die unter anderem folgende Schwerpunkte setzt:

  • Der SGB setzt sich für eine soziale, offene Schweiz ein und anerkennt die grosse Bedeutung der EU für die friedliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa. Er unterstützt die Öffnung gegenüber der EU grundsätzlich.
  • Der Lohnschutz und der Service public sind bisher nicht gesichert. Dies ist umso gefährlicher, weil es in der Schweiz Kräfte gibt, welche die Diskussionen mit der EU dafür missbrauchen, ihre Liberalisierungsprogramme durchzudrücken.
  • Beim Lohnschutz sind sowohl der paritätische GAV-Vollzug als auch wichtige Instrumente wie die Dienstleistungssperre und die Kaution nicht verbindlich abgesichert. Der Lohnschutz ist in den letzten Jahren durch die stärkere Verbreitung von Subunternehmen und Temporärarbeit anspruchsvoller geworden. Die Basis der Schweizer GAV erodiert nach und nach. Temporärarbeitende haben nach wie vor weniger Rechte als Festangestellte.
  • Einer Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie, also der Personenfreizügigkeit, steht der SGB grundsätzlich positiv gegenüber. Sie bedeutet eine rechtliche Besserstellung der Arbeitnehmenden aus dem EU-Raum.
  • Die Übernahme der EU-Spesenregelung und die totale Marktöffnung für Strom und den öffentlichen Verkehr lehnt der SGB ab.
  • Der Abschluss eines Abkommens im Bereich der öffentlichen Gesundheit wäre für die Schweiz positiv, dürfte aber nicht zu einer Reduktion der öffentlichen Subventionen im Gesundheitswesen führen.
  • Der SGB unterstützt die Kohäsionsbeiträge an die EU, die auch erhöht werden können. Sie sind ein wichtiges, solidarisches Instrument, um die Unterschiede bei den Einkommen in Europa zu reduzieren. Positiv wäre auch, wenn die sistierten Kooperationsprojekte der Schweiz mit der EU rasch wieder weitergeführt würden. Die Schweiz und die EU haben ein grosses gemeinsames Interesse an einer engen Zusammenarbeit in der Forschung, in der Kultur und in der Bildung.

Für den SGB ist klar, dass ein Verhandlungsmandat des Bundesrates diese genannten Punkte beinhalten muss.