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Skandal um AIDA Pfäffikon – Communiqué No. 2

Das Festival la Perla führt vom 9.-19. August 2013 die Verdi Oper AIDA openair am Pfäffikersee (ZH) auf. Nachdem das Symphonische Orchester Zürich als Festivalorchester den Orchestermusikerinnen und –musikern inakzeptable Bedingungen offerierte, hat der SMV dies scharf kritisiert.

Doch der Zynismus der Veranstalter kennt keine Grenzen: In den definitiven Musikerverträgen für Aida wird ein Bruttolohn angeboten, der noch 30% tiefer als das vormalige Dumpingangebot liegt! 3-stündige Probe CHF 56.- brutto, 3-stündige Vorstellung CHF 91.- brutto. Die Begründung: Es handle sich um ein Ausbildungsprojekt und es sei nicht mehr Geld vorhanden. Beides stimmt nicht.

Die geplanten Ausgaben für 78 Orchestermusikerinnen und –musiker betragen gerade mal 4.3% des Gesamtbudgets der Produktion in Höhe von CHF 3.5 Mio. Berechnungen des SMV zeigen, dass bei gutem Wetter und guter Auslastung wesentlich höhere Einnahmen als budgetiert erwartet werden können. Die Musikerinnen und Musiker, die zumeist über einen Masterabschluss einer Hochschule verfügen, sollen aber nicht daran beteiligt werden, im Gegenteil: Sie sollen den Veranstaltern auch noch das Schlechtwetterrisiko abnehmen.

Eine derart respektlose Trinkgeld-Mentalität den Orchestermitgliedern gegenüber ist inakzeptabel und darf auf keinen Fall durch Steuergelder des Kantons Zürich gefördert werden!

Dass es mit gutem Willen und Respekt vor den Musikern sehr wohl möglich ist, diese nach SMV-Tarif zu bezahlen, zeigt das Beispiel des Open-Air Avenches, wo diesen Sommer Nabucco gegeben wird.

Der SMV fordert weiterhin die existenzsichernde Bezahlung der Musikerinnen und Musiker, auch am Pfäffikersee !


Facts

1. Musikerverträge

Nachdem die Produktionsfirma Festival La Perla AG gemeinsam mit dem Symphonischen Orchester Zürich mitgeteilt hat, dass die 78 «Plätze» für Musiker und Musikerinnen für die Aida-Produktion vergeben werden konnten, ja man von «Musiker-Anfragen überrannt» worden sei, sind jetzt die definitiven Verträge verschickt worden.

Diese gehen klar in Richtung Ausbeutung der Notlage der «hoch qualifizierten und sehr motivierten» Musikerinnen und Musiker, die in den meisten Fällen über einen Masterabschluss einer Hochschule verfügen:

  • Ursprünglich war von CHF 80.- bzw. 130.- für eine Probe/Aufführung und keinen Spesen die Rede. In den versandten Verträgen sind diese Honorare unverändert enthalten, jedoch steht darunter: «Im Honorar sind 30% als Abgeltung für Verpflegung und Kleidung enthalten.» Es gibt also neu etwas Spesen, dafür beträgt der Bruttolohn noch CHF 56.- bzw. 91.-! Dadurch wird vermutlich auch massiv bei den Sozialversicherungen gespart!
    Der Brutto-Stundenlohn für den dreistündigen Einsatz vor Ort beträgt bei Einrechnung von 30 Minuten Einspielen und Zusammenpacken also CHF 56 / 3.5 = CHF 16.- im Fall der Probe bzw. CHF 91 / 3.5 = CHF 26.- im Fall der Vorstellung.
    Überhaupt nicht vergütet wird dabei die vertraglich geforderte „optimale technisch-musikalische Vorbereitung“ zu Hause, die Reisespesen und –zeit sowie die erheblichen Kosten für die eigenen Instrumente.
  • Ebenfalls nicht vergütet wird die Verpflichtung der Musiker, sich neben den offiziellen Vorstellungen auch die zusätzlichen Ausweichdaten bei Schlechtwetter frei zu halten. «Bei abgesagten und nicht nachgeholten Vorstellungen» soll «im Rahmen der dafür budgetierten Honorare eine proportionale Vergütung an die betroffenen Mitwirkenden nachträglich» vorgenommen werden. Diese unbestimmte Formulierung ist schlichtweg illegal, das Bundesgericht hat mehrfach bestätigt, dass das Wetterrisiko nicht an den Arbeitnehmer delegiert werden kann.
  • Die Generalprobe wird wie eine Vorstellung verkauft (Tickets CHF 69-199), aber wie eine Probe vergütet.

Es werden also nicht «nur» Dumpinglöhne, sondern klar missbräuchliche und keineswegs ortsübliche Lohnbedingungen angeboten.

Die Tatsache, dass es möglich ist, Musiker zu finden, die aus ihrer Notlage heraus jedes noch so schlecht bezahlte Engagement annehmen, ändert nichts daran, dass solche Angebote schlicht unanständig sind!

Es geht um den Respekt gegenüber Mitbürgern, die ihre Arbeit machen und, wie alle anderen auch, davon leben müssen.

2. Festivalorchester – Profiorchester oder Ausbildungsprojekt?

Der Gesamtverantwortliche des Symphonischen Orchesters Zürich hat die Dumpinghonorare in den Medien wiederholt damit gerechtfertigt, dass es sich beim Orchester um ein «Ausbildungsprojekt» handle, mit dem er jungen BerufsmusikerInnen die «einmalige Gelegenheit» biete, eine grosse Oper zu spielen. In einem Gespräch mit dem SMV zeigte er keinerlei Verständnis für die Forderungen nach existenzsichernder Entlöhnung «seiner» MusikerInnen. Stattdessen sieht er sich als Kämpfer «für die Steigerung der Kultur in der Gesellschaft» und als Helfer der «jungen Musiker, die keine Stelle finden». Dazu ist folgendes zu sagen:

  • In der Kommunikation zur Aida in Pfäffikon ist nirgends von einem Ausbildungsorchester die Rede, es wird klar suggeriert, dass die Veranstaltung in jeder Hinsicht professionelles Niveau biete.
  • Es gibt kein Ausbildungskonzept beim Symphonischen Orchester, auch wenn auf der Festivalwebsite eine Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater erwähnt wird.
  • Ein Orchesterpraktikum, eine Orchesterausbildung erfordert Ausbilder und Betreuer. Diese sind offensichtlich nicht vorhanden.

 

3. Kein Geld für anständige Entlöhnung der MusikerInnen vorhanden?

Der Direktor des Symphonischen Orchesters Zürich hat einen Pauschalvertrag zur Stellung des Festivalorchesters mit der Festival La Perla AG abgeschlossen, über dessen Inhalt sich die Parteien nach wie vor ausschweigen. Er beteuert, dass die Vertragssumme ausschliesslich für die Musikerhonorare sowie die Miete gewisser Spezialinstrumente ausgegeben werde und er selber ehrenamtlich arbeite. Auch hätte er in den Verhandlungen nicht mehr herausholen können (um z.B. anständige Löhne zu zahlen), weil sonst ein ausländisches Orchester den Zuschlag erhalten hätte.

Dazu ist zu sagen:

  • Es ist trotz der bekannten menschenunwürdigen Gepflogenheiten gewisser Veranstalter, die MusikerInnen solcher (meist osteuropäischen) Orchester im Bus oder in einer Zivilschutzanlage übernachten zu lassen usw., kaum anzunehmen, dass ein 78-köpfiges ausländisches Profiorchester für die rund 150’000 Franken, die jetzt für die Musikerlöhne und –spesen zur Verfügung stehen sollen (Berechnung SMV aufgrund der bekannten Honorare und des Proben-/Vorstellungsplans), den weiten Weg nach Pfäffikon angetreten hätte, um dort drei Wochen lang zu spielen, zu schlafen und zu essen.
  • Mit dem Einkauf von billigeren ausländischen Arbeitskräften zu drohen, gleichzeitig aber auf höchstem CH-Niveau zu verkaufen, ist einer kommerziellen Grossproduktion in der reichen Schweiz unwürdig.
  • Es gab offenbar auch eine Offerte zumindest eines anderen Schweizer Orchesters, die sich allerdings nach dem SMV-Tarif richtete.

Gemäss der Stellungnahme des Festivals La Perla zur SMV-Kritik beträgt das Gesamtbudget CHF 3.5 Mio, für den künstlerischen Bereich 1.75 Mio. Die Honorare der OrchestermusikerInnen zu den angebotenen Entschädigungen betragen höchstens CHF 150’000.-.

Dies entspricht 8.6 % des Budgets für den künstlerischen Bereich oder 4.3% des Gesamtbudgets. Für ein professionelles 78-köpfiges Opernorchester!

Wer kassiert hier auf Kosten der OrchestermusikerInnen masslos ab? Wird in den anderen künstlerischen Bereichen auch mit Billigst-Löhnen gearbeitet?

Die Abendgage der 78 Musikerinnen und Musiker beträgt deutlich weniger als der Ticketerlös der Plätze in der ersten Reihe (von rund 50 Reihen).

1 Zuschauer in der teuersten Kategorie finanziert rund 2 MusikerInnen, bei 4000 Plätzen.

Falls die geplanten 7 Aufführungen und die ebenfalls kostenpflichtige Generalprobe stattfinden könnten und voll besetzt wären (4000 Besucher), würden die reinen Ticketeinnahmen mindestens CHF 5.2 Millionen betragen (Berechnung SMV auf Basis eines angenommenen Durchschnittsticketpreises von CHF 134 für die Generalprobe (Preise CHF 69-199) bzw. CHF 169 für die Vorstellungen (Preise CHF 89-249). In diesem Fall betrügen die Aufwendungen für die MusikerInnen noch 2.88% der Ticketeinnahmen. Dazu kommen die Erträge der Sponsoren.

Reicht dieses Geld wirklich nicht, um den OrchestermusikerInnen existenzsichernde Löhne zu bezahlen?

Eine derart respektlose Trinkgeld-Mentalität den MusikerInnen gegenüber ist inakzeptabel und darf auf keinen Fall durch Steuergelder des Kantons gefördert werden!

Dass es mit gutem Willen und Respekt vor den Musikern sehr wohl möglich ist, diese nach SMV-Tarif zu bezahlen, zeigt das Beispiel des Open-Air Avenches, wo diesen Sommer Nabucco gegeben wird.

Der SMV fordert weiterhin die existenzsichernde Bezahlung der Musikerinnen und Musiker am Pfäffikersee !

Der Schweizerische Musikerverband

Für Rückfragen:     Beat Santschi, Zentralpräsident SMV, b.santschi at smv.ch, 044 241 72 67

Ronald Dangel, Sektionspräsident SMV, ronald.dangel at smv.ch