Kultur in der Krise
Die diesjährige Delegiertenversammlung des SMV fand am 14. Mai nachmittags im geschichtsträchtigen Hotel Schweizerhof in Luzern statt. Richard Wagner z.B. hatte 1859 hier seine Oper Tristan und Isolde vollendet, ein Werk, das der Musikwissenschaftler Ernst Kurth seinerzeit als Krise der romantischen Harmonik bezeichnete.
Von Krise war auch an der DV des SMV verschiedentlich die Rede. So berichtete eingangs Sektionspräsident Gerhard Kremser über den aktuellen Stand in Winterthur. Seine Ausführungen wurden ergänzt von Jürg Keller, welcher die Gelegenheit wahrnahm, persönlich Stellung zu beziehen zu der Projektstudie, die er im Auftrag des Musikkollegiums Winterthur erarbeitet hatte und die zunächst bei der Stiftung auf keinerlei Akzeptanz gestossen war. Mithilfe der Presse, des Publikums und des Chefdirigenten selbst scheint jedoch inzwischen das Schlimmste, eine Arbeitszeitverkürzung von ca. 25 % verbunden mit einer Lohnreduktion abgewendet zu sein. Zugeständnisse des Orchesters, wie Erhöhung der Dienstlimite, flexiblere Ferienregelung, stehen noch an. Die Delegiertenversammlung verabschiedete zur Unterstützung der Interessen des Orchesters eine Solidaritätserklärung (erschienen in der Juni-Ausgabe der SMZ).
Ebenfalls vom Phänomen «Krise» sprach Toni Krein, Präsident von orchester.ch, ehemals VESBO. Seiner Meinung nach verliert der europäische Kulturraum nach und nach seine Bedeutung. Ob Sparen hier die richtige Rezeptur zur Meisterung der Krise ist, stellt er infrage. Die Zusammenarbeit aller an der Kulturfinanzierung beteiligten Gruppen sei wichtiger denn je, einander verstehen die Grundlage für Erfolg, d.h. alle Seiten, Geber und Nehmer, müssten den Dialog suchen und intensivieren. Kultur verkörpere Werte unserer Gesellschaft, die nicht verdrängt werden dürften. In diesem Sinne appellierte Krein an alle auf eine gute Zusammenarbeit.
Die Bedeutung der Kultur, insbesondere der Musik, strich auch Daniel Lampart, Leiter des Sekretariats des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds SGB hervor. Er sieht Verbesserungsbedarf auf der politischen Ebene, da das Potenzial der Musik von der Politik viel zu wenig erkannt sei. Der SGB will sich hier vermehrt engagieren. Als weiteres wichtiges gemeinsames Thema nannte er die flankierenden Massnahmen zum Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Diese müssten nun dringend auch im Bereich Musik greifen, um die in der Schweiz üblichen Tarife zu schützen.
Wahlen und Anträge
Zu Beginn des geschäftlichen Teils der Delegiertenversammlung wurden mehrheitlich einstimmig die Tätigkeitsberichte, die Jahresrechnung 2011 und das Budget 2012 angenommen sowie Décharge an Zentralsekretärin und Zentralvorstand erteilt. Die Mitglieder des Zentralvorstands wurden in ihren Ämtern auf zwei weitere Jahre bestätigt, ebenso der Zentral-präsident und die Zentralsekretärin. Für den seit einem Jahr vakanten Sitz im Zentralvorstand wurde Daniel Schädeli aus der Sektion Bern neu gewählt. Alle übrigen (Ersatz-)Wahlen oder Nominationen von Vertretern in verschiedene Gremien konnten mit allgemeinem Einverständnis zügig und unkompliziert erledigt werden.
Der einzige Antrag an die DV kam aus der Sektion Waadt. Er betrifft die Neuregelung der Beitragszahlungen von pensionierten Mitgliedern im Ausland. Der Zentralvorstand soll diese Regelung nochmals überarbeiten, sodass Ungleichbehandlungen unter den Pensionierten (ehemals Angestellte oder Freischaffende) vermieden werden.
Zur Information für alle Mitglieder erläuterte David Acklin anschliessend die Hintergründe zu den neuen Mitgliedschafts- und Abtretungserklärungen von SIG und SWISSPERFORM, die zurzeit verschickt werden und von allen Mitgliedern neu unterschrieben werden müssen. (Weitere Informationen auf www.interpreten.ch und www.swissperform.ch)
Präsidentenkonferenz, Kassiere, Geschäftsstellenleiter
Im Vorfeld der Delegiertenversammlung fand am Vormittag bereits eine Präsidentenkonferenz statt, parallel dazu ein Treffen der Kassiere und Geschäftsstellenleiter zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch.
Die Präsidentenkonferenz stand ebenfalls im Zeichen des gegenseitigen Austauschs von Informationen zu den aktuellen Situationen in den Sektionen, kritischen Fragen und hilf-reichen Anregungen. Von besonderem Interesse war der Bericht von Vincent Godel, der über die aktuelle Lage des Orchestra della Svizzera italiana berichtete.
Im Zentrum der Konferenz stand jedoch die mögliche Zusammenarbeit mit andern Ver-bänden. Seit rund zwei Jahren treffen sich Vertreter von action swiss music, des Schweizer Musik Syndikats, des Schweizerischen Tonkünstlervereins und des SMV zu regelmässigen Gesprächen, um Informationen auszutauschen sowie mögliche Synergien und Kooperations-formen auszuloten. Diese Zusammenarbeitsbemühungen werden finanziell vom BAK unter-stützt und sind deshalb an einen Zeitplan gebunden. Inzwischen liegt eine unabhängige Studie vor, die mögliche Szenarien der Zusammenarbeit vorschlägt. (Eine Zusammenfassung ist auf www.smv.ch zu finden.)
Nach intensiver Diskussion kam die PK zu dem vorläufigen Schluss, dass der SMV seine Unabhängigkeit unbedingt wahren will. Angestrebt wird eine politische Interessenbündelung durch einen gemeinsamen Auftritt, im Sinne einer Allianz.
Aufgrund verschiedener Berichte aus den Sektionen kristallisierte sich als weiteres Thema die Zusammenarbeit mit den Hochschulen heraus. Im Bereich der Bezahlung von Studierenden gibt es vielfach keine klaren Regelungen. Hier wären zumindest feste Rahmenbedingungen wünschenswert. Es soll deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet werden mit Mitgliedern aus den verschiedenen Regionen der Schweiz, um eine mögliche Charta zwischen SMV und Musikhochschulen auszuarbeiten. Die Delegiertenversammlung wurde am Nachmittag über die Diskussionen in der Präsidentenkonferenz entsprechend informiert.
Sara Imobersteg