Das Festkonzert im Opernhaus Zürich bildete den Auftakt zum Jubiläumsjahr des SMV. Es stand ganz im Zeichen internationaler Solidarität.
Hundertsechzig motivierte Musikerinnen und Musiker aus der gesamten Schweiz haben sich anlässlich des hundertjährigen Verbandsjubiläums zu einem einzigartigen Klangkörper formiert. Ihre Begeisterung schlug während des Konzerts am 6. Oktober im Opernhaus Zürich spürbar auf das zahlreiche Publikum über. Auch das Programm war alles andere als gewöhnlich: Richard Strauss’ Don Juan, die zweite Suite aus Ravels Ballett Daphnis et Chloë sowie Othmar Schoecks Oper Penthesilea, von Andreas Delfs zur Konzertsuite verdichtet, zudem der Einzug der Gäste aus Wagners Tannhäuser und eine von Jean-François Michel eigens für den Festanlass komponierte Jubiläumsfanfare. Mario Venzago, der nicht nur das Programm zusammengestellt hatte, sondern auch am Pult des Jubiläumsorchesters stand, nannte das Konzert eine «Manifestation». Ein Jubiläum, so seine Worte ans Publikum, sei auch der Moment, inne zu halten und derer zu danken, «die ihre Kraft eingesetzt haben, unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit wir unseren heiligen Beruf heute in relativer Sicherheit ausüben dürfen.»
Dass diese Sicherheit, von der Venzago sprach, gefährdet sein kann, wurde vor wenigen Wochen auf drastische Weise deutlich. Am 2. Oktober hatte der Aufsichtsrat der Oper in Rom beschlossen, Orchester und Chor auszugliedern, das heisst konkret: 182 Musikerinnen und Musiker kollektiv zu entlassen, auf dass sie sich bitte selbständig machen mögen, schliesslich könne man sie dann projektweise engagieren. Diesem schmerzhaften Schlag, der über die Grenzen Europas hinaus Entsetzen auslöste, gingen in Rom Jahre des Streikens und finanzielle Erosionsprozesse voraus. Erst im Dezember 2013 wurde mit Carlo Fuortes ein neuer Intendant berufen, der das Opernhaus vor der Pleite retten sollte. Doch es wurde nicht ruhiger. Am 22. September erklärte Chefdirigent Riccardo Muti schliesslich, er sehe keine Grundlage mehr für eine erfolgreiche Arbeit am Opernhaus. Ende November hätte er die neue Saison mit Verdis Aida eröffnen sollen.
SMV-Präsident Beat Santschi widmete das Jubiläumskonzert spontan den römischen Kollegen. Venzago wiederum wählte als Zugabe den Gefangenenchor aus Verdis Nabucco. 60 Sängerinnen und Sänger der Opernchöre von Zürich und Bern riefen in Verdis berühmtem Freiheitsgesang um Hilfe: Mögen der Musik ihre Institutionen erhalten bleiben, auf dass unser über Jahrhunderte gewachsenes kulturelles Erbe an künftige Generationen weitergetragen werden kann.
Was in Rom passiert, droht Nachahmer zu finden in Zeiten wirtschaftlicher Engpässe. In Krisenzeiten werde zuerst dort gespart, wo es populistisch sei und scheinbar niemandem wehtue, gab Venzago zu bedenken und fügte hinzu: «Ich möchte in einer Stadt ohne Musik nicht leben – eine Stadt ohne Musik ist nicht bewohnbar.»
Es ist an uns, endlich einen weitreichenden und tiefgreifenden Diskurs über die Relevanz klassischer Musik zu führen und dessen Wirkungskreise auszuweiten. Argumente, mit denen ein derartiger kultureller Kahlschlag legitimiert wird, gilt es zu hinterfragen und zu widerlegen, beispielsweise jene von Intendant Fuortes, der prompt behauptete, die Praxis der Ausgliederung von Orchestern habe in anderen europäischen Städten wie Paris, London oder Madrid längst stattgefunden. Zurecht hat die Internationale Musikerföderation (FIM) dies als eine «glatte Lüge» bezeichnet. Der SMV hat unterdessen gemeinsam mit seinen Partnerverbänden aus Deutschland (DOV, Verdi) und Österreich (GdG KMSfB) eine Presseerklärung verabschiedet, die im Rahmen des D-A-CH-Treffens anlässlich des SMV-Jubiläums verfasst wurde.
Den Musikerinnen und Musikern der Schweizer Berufsorchester, den Freischaffenden und den Sängerinnen und Sängern der Opernchöre von Bern und Zürich sei sehr herzlich für ihr hohes Engagement gedankt. Ein besonderer Dank geht an Mario Venzago für seinen ehrenamtlichen Einsatz. Vonseiten des Publikums war durchweg positives Echo zu vernehmen. Auch die Mitwirkenden zeigten sich während der anschliessenden Feierlichkeit im Bernhard-Theater erfreut über das durchweg gelungene und überaus ambitionierte Konzert. Erstaunlich ist, wie die 160 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung Venzagos innerhalb einiger Tage intensiver Probenarbeit zu einem homogenen Klangkörper zusammengefunden haben, den es zuvor nie gegeben hat. Er sei als ein Symbol der Solidarität und des menschlichen Zusammenhalts verstanden.
Das Jubiläums-Festkonzert wurde von Schweizer Radio SRF 2 Kultur aufgezeichnet und wird wie folgt gesendet:
- 23. Oktober 2014, 20.00 Uhr auf RSI Rete Due
- 30. Oktober 2014, 20.00 Uhr auf SRF 2 Kultur und RTS Espace 2
Johannes Knapp
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- Presseerklärung SMV/DOV/ver.di/GdG-KMSfB: Musikerverbände fordern: Opernhäuser und Orchester in Europa stärken, nicht schwächen D-A-CH
- FIM/FIA/UNI-MEI: Offener Brief an den Vorstand der Römer Oper, den Bürgermeister von Rom und an den italienischen Regierungschef Matteo Renzi