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Der Beruf des Orchestermusikers im Wandel der Zeit?

Wirtschaftskrise, Spardruck, Fusionsdruck, oft rückläufige oder stagnierende Publikumszahlen, die Forderung nach neuen «Events», die Suche nach neuen Formen von Konzerten und Musikvermittlung, die Suche nach neuer, zusätzlicher Mittelbeschaffung (Sponsoring), Konkurrenzkampf sowie die Bitte an uns Orchestermusiker «noch flexibler zu sein» (was auch immer dies heissen mag…), dies sind die Begriffe, welche schon fast zu politischen Modewörtern geworden sind und mit welchen wir Kulturschaffenden uns offensichtlich immer mehr auseinanderzusetzen haben.

Wir haben verstanden, dass sich Europa und die Welt in einer schwierigen Wirtschaftsphase befinden, die sich auch entsprechend auf die Kulturpolitik auswirkt. Die letzten Jahrzehnte waren geprägt durch das kulturpolitisch mehr oder weniger erfolgreiche Programm einer staatlich geförderten «Kultur für alle». Politik und Wirtschaft hatten offenbar begriffen, dass die kulturelle Bildungsförderung ein entscheidender Faktor zur ästhetischen und moralischen Erziehung der Menschen ist und dass sie helfen kann, Fremdes zu integrieren und eine Gesellschaft zusammenzuhalten.

Ist es richtig, dass diese Erkenntnis heute immer mehr in Vergessenheit zu geraten scheint oder sich zumindest so weit am verändern ist, dass sie von den Behörden mit Argumenten wie «fehlende finanzielle Möglichkeiten» nicht mehr so aktiv weitergelebt werden kann, wie wir Kulturschaffenden dies wünschten? Stattdessen wird allgemein ein Umdenken gepredigt, ohne von offizieller Seite her wirklich einen genauen Plan zu haben, wohin genau dieses Umdenken gehen soll.

Pius Knüsel, der noch amtierende Direktor der grössten Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia schreibt als Co-Autor in seinem Buch Der Kulturinfarkt: «Immer mehr Ausgaben für die Kultur, dabei haben wir schon von allem zu viel und überall das Gleiche.» Seine provokante These: «Wir fördern heute nicht die Kunst, sondern nur Lobby und Institutionen.» Wie reagieren wir Kulturschaffenden darauf? Es ist sicher wünschenswert, dass Mittel direkt zu den Kulturschaffenden fliessen, ohne vorher von überproportionierten Verwaltungsstrukturen aufgefressen zu werden. Wobei man da vielleicht auch etwas aufpassen sollte, dass man nicht einfach pauschalisiert. Ob die im oben erwähnten Buch aufgestellte These von Schliessungen von Theatern, Konzerthäusern, Museen etc. der richtige Weg ist, wage ich zu bezweifeln. 

Der Konkurrenzkampf ist immer härter geworden, die Schweiz als Arbeitsort nach wie vor attraktiv geblieben. Das Resultat ist einerseits ein Verteilkampf, anderseits aber auch eine Qualitätssteigerung, und das ist doch auch erfreulich! 
Zusätzliche Veranstalter und viele Festivals drängend auf den Markt und wollen ihren Teil vom Subventionskuchen. Andere, neue Formen der Veranstaltungen werden gefordert. Das Publikum will heute mehr als «nur» ein Konzert, man spricht von einem Event, an welchem vor, während und nach dem Konzertbesuch aus einem ganzen Katalog von altersgerechten, gesellschaftlichen und kulinarischen Möglichkeiten ausgewählt werden kann, was einen anspricht. Wie im Sport schon längst Usus werden VIP-Veranstaltungen, Networking und lockere, diskrete Kundenbetreuung heute viel aktiver mit unserem kulturellen Schaffen in Verbindung gebracht.
Man erwartet von uns heute, dass wir uns «besser (anders) verkaufen». Das heisst oft, zusätzliches Engagement ohne dabei den Fokus für unsere Leistung auf der Bühne zu verlieren, was nicht einfach ist. Das sei halt die heutige Zeit, in welcher alles sehr schnell und jederzeit international vernetzt vor sich zu gehen habe.

Wir müssen mit der Zeit mitgehen, das ist klar – aber ist es eben nicht gerade die Aufgabe der Kulturvermittlung, ab und zu auch da einen Gegenpol zu setzen und den Menschen immer wieder zu zeigen, dass man sich jetzt «ausnahmsweise» mal Zeit gönnen darf, zuzuschauen, sich inspirieren zu lassen, für eine Stunde sein iPhone auszuschalten und sich im Konzertsessel (wenn er denn bequem sei) zurückzulehnen und seinen freien Gedanken in Verbindung mit der Musik nachgehen zu dürfen?

Präludium von Daniel Schädeli, Mitglied Zentralvorstand SMV