Der 5. Juni 2016 markiert die letzte wichtige Etappe in einer Kette politischer Entscheidungen zugunsten der Tonhalle-Sanierung. Nachdem der Stadtrat den Vorlagen des Gemeinderates mit deutlicher Mehrheit zugestimmt hat, wird nun das Stadtzürcher Stimmvolk zur Wahlurne gebeten. Zum einen geht es um einen Kredit von rund 165 Millionen Franken zur Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes von Kongresshaus und Tonhalle, zum anderen soll die Trägerschaft umstrukturiert werden. Bislang nämlich ist die Eigentümerin der aus Kongresshaus und Tonhalle bestehenden Liegenschaft eine privatrechtliche Stiftung. Sie muss in eine öffentlich-rechtliche Stiftung überführt werden, um so eine adäquate Trägerschaft für den Weiterbetrieb von Tonhalle und Kongresshaus zu schaffen. Voraussetzung ist eine Tilgung der Schulden der bestehenden Stiftung von 72,8 Millionen Franken. Die Tilgung ist möglich, indem die Stadt Zürich auf die Rückzahlung einst gewährter Sanierungsdarlehen verzichtet und darüber hinaus Bankschulden der Stiftung begleicht. Im Gegenzug soll das Grundstück am Alpenquai ins Eigentum der Stadt Zürich übertragen werden.
Die Renovierung, so Lionel Bringuier, Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters, sei für den künstlerischen Betrieb enorm wichtig. «Die Aufenthalts- und Proberäume für Musiker, Dirigenten und Solisten müssen modernisiert werden, so dass wir unserem Publikum weiterhin klassische Musik auf höchstem Niveau darbieten können.» Zur Sanierung der Tonhalle würde zudem die Restauration der Stuckaturen und Malereien gehören. Heute bereits ein Schmuckstück, wird sie sich nach der Gesamtsanierung noch farbiger, lebensfroher, ja opulenter präsentieren. Somit würde auch an die Ursprünge der Tonhalle erinnert werden. Über den heutigen Bau wird ja gemeinhin behauptet, er stamme von 1895, wobei leicht übersehen wird, dass wichtige Teile des originalen Gebäudes der Weltausstellung 1937 weichen mussten. Ursprünglich war die Tonhalle der Wiener Architekten Fellner und Helmer ein dem Pariser Trocadéro nachempfundener Prunkbau mit Kuppeln, Türmchen und umgeben von einem prächtigen französischen Garten.
Das Bauprojekt wird von der kantonalen Denkmalpflege eng begleitet und hat das Vertrauen des Stimmvolks bestens verdient, um nicht zu sagen: dringend nötig! In den vergangenen dreissig Jahren wurden keine grösseren Sanierungsarbeiten vorgenommen. Nicht zuletzt gibt es Stimmen, die annehmen, dass die neue Organisationsform dem Steuerzahler langfristig sogar günstiger kommt.
Im Juli 2017 könnten bereits die Bauarbeiten beginnen. Das Tonhalle-Orchester würde ab September 2017 für drei Jahre ins Exil geschickt, eine Klangbox aus Fichtenholz mit rund 1500 Sitzplätzen in der Maag-Halle in Zürich-West. Kommt am 5. Juni das seitens Politik, Kultur und Gesellschaft erhoffte «Ja», würde der dort beheimatete Konzertveranstalter Maag Music seinerseits ein Provisorium am Bahnhof Oerlikon beziehen.
Johannes Knapp, 26.05.2016