– 26. Januar 2024 (Schweizer Musikzeitung)
Die eidgenössischen Volksabstimmungen vom 3. März 2024 betreffen die AHV, ein wiederkehrendes Thema mit erheblichen Auswirkungen auf die ganze Bevölkerung und auch auf die Musiker*innen.
Am 3. März werden die Stimmbürger*innen und die Kantone über zwei Initiativen befinden, deren Annahme sowohl das Volks- als auch das Ständemehr voraussetzt. Sie widerspiegeln zwei gegensätzliche Sichtweisen auf die Gesellschaft: Die erste sieht eine 13. AHV-Rente vor, entsprechend dem 13. Monatslohn, den Arbeitnehmer erhalten können, während die zweite das Rentenalter anheben will.
Ja zur 13. AHV-Rente
Die erste, die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), dem der SMV angeschlossen ist, lanciert wurde, basiert auf den Finanzperspektiven des Bundes zur AHV, die in den nächsten Jahren jährlich rund 3 Milliarden Franken Überschuss erzielen wird. Entgegen der jahrelangen Schwarzmalerei von Arbeitgeberseite und gewissen Wirtschaftszweigen wird das AHV-Vermögen bis Ende des laufenden Jahrzehnts auf 67 Milliarden Franken steigen. Das sind rund 20 Milliarden mehr als heute. Überdies wird der natürliche schrittweise Wegfall der Babyboom-Generation dazu beitragen, das finanzielle Gleichgewicht langfristig zu stabilisieren, wie es die Genfer Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle in der Parlamentsdebatte im Dezember 2022 unterstrichen hatte. In einer Zeit, in der die Inflation in Kombination mit steigenden Mietzinsen und Krankenkassenprämien dazu führt, dass Rentner*innen 2024 das Äquivalent einer monatlichen Rente verlieren, würde eine 13. AHV-Rente zweifellos eine Erleichterung für gegenwärtige und zukünftige Rentner*innen bringen.
In der Tat ist die AHV mit einer durchschnittlichen Monatsrente von ungefähr 1800 Franken immer weniger in der Lage, ihren Verfassungsauftrag, die Lebenshaltungskosten zu decken, zu erfüllen. Nicht weniger als 200’000 Rentner*innen leben derzeit mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, weitere 100’000 sind nur knapp darüber. Besonders betroffen sind die Frauen, da ein Drittel von ihnen nur die erste Säule bezieht. Von der Annahme der SGB-Initiative würden 90% der Erwerbstätigen profitieren: In der AHV beteiligen sich alle Einkommensklassen, und alle profitieren von direkten Rentenverbesserungen, insbesondere auch die Frauen. Für sie ist die AHV besonders wichtig, denn nur hier wird ihre unbezahlte Arbeit in höhere Renten umgewandelt. Eine Stärkung der AHV ist im aktuellen Umfeld umso wichtiger, weil es in der 2. Säule weder einen Teuerungsausgleich noch garantierte Rentenleistungen für die Lohnbeiträge gibt.
Das übliche Kostenargument, das von der Rechten vorgebracht wird, sobald sich eine soziale Verbesserung abzeichnet (ein Argument, das sofort verschwindet, wenn es um grosszügige Steuergeschenke geht), ist nicht neu. Schon 1947, als die AHV gegründet wurde, veröffentlichten ihre damaligen Gegner ein Zeitungsinserat, in dem behauptet wurde, dass «die Finanzierung der AHV in zwanzig Jahren nicht mehr gewährleistet sein wird.» Allen Unkenrufen zum Trotz hat sie sich gut entwickelt und die Renten konnten in den folgenden Jahrzehnten mit der breiten Unterstützung durch alle Parteien schrittweise erhöht werden. Unter dem Einfluss eines zügellosen Neoliberalismus ist seither der politische Konsens leider ins Wanken geraten. Dass einige sogar fordern, den Bundesanteil an der AHV-Finanzierung herunterzufahren, muss man als inkonsequent oder zynisch bezeichnen, weil sie gleichzeitig unter dem falschen Vorwand einer drohenden AHV-Pleite die SBG-Initiative ablehnen. In Wirklichkeit beweist das, dass die Drohungen und Einschüchterungsversuche keinen konkreten Hintergrund haben. Die Rentner*innen, eingeschlossen natürlich die Musiker*innen, die nicht immer die Möglichkeit hatten, in die 2. Säule einzuzahlen, verdienen diese 13. Rente, die es vielen von ihnen ermöglichen wird, sich über Wasser zu halten, voll und ganz.
Nein zur Anhebung des Rentenalters
Ausgehend von dieser unbegründeten Panikmache über den Fortbestand der AHV verlangt die zweite Initiative, die von den Jungfreisinnigen lanciert wurde, die Anhebung des Rentenalters auf 66 Jahre mit einer weiteren Erhöhung entsprechend der Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung der schweizerischen Wohnbevölkerung im Alter von 65 Jahren. Die Lebenserwartung dürfte gemäss den Prognosen des Bundesamts für Statistik von jetzt bis 2050 um mehr als zwei Jahre steigen. Betrachtet man den Arbeitsmarkt, auf dem Menschen über 50 Jahre nur selten eine Stelle finden, wenn sie von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und sieht man, dass die Unternehmen zögern, sie im Zuge einer beruflichen Neuorientierung umzuschulen, gewinnt man den Eindruck, dass diese Initiative der jungen Garde der liberalen Rechten weit entfernt ist von der Realität der Arbeitswelt. Diese zukünftigen Rechtsanwälte, Banker oder Unternehmer scheinen sich der körperlichen Erschöpfung durch physisch anstrengende Berufe oder solche, die besondere Fähigkeiten verlangen, nicht bewusst zu sein. Die gleichen Fähigkeiten, die gleiche Reaktionsschnelligkeit und das gleich gute Gehör weit über das sechzigste Lebensjahr hinaus zu behalten, ist nicht für alle Musiker*innen möglich, und die Anhebung des Referenzalters für den Bezug der AHV wäre für einen nicht geringen Teil von ihnen problematisch. Die gutverdienenden Chefs werden es sich hingegen weiterhin leisten können, sich sehr komfortabel frühpensionieren zu lassen… In Bezug auf das Argument der Befürworter dieses Projekts, dass die Erhöhung der Lebenserwartung früher oder später zu Schwierigkeiten bei der Finanzierung der AHV führen würde, hat der Präsident des SGB Pierre-Yves Maillard während der parlamentarischen Beratungen 2020 daran erinnert, dass, wenn sich der Prozentsatz von Personen über 65 Jahren seit der Einführung der AHV 1947 verdoppelt hat, sich auch die Zahl der Beitragszahler*innen verdoppelt hat. In der Mitte des letzten Jahrhunderts erhielt die grosse Mehrzahl der Frauen nämlich kein Gehalt, und ihre Arbeit bestand hauptsächlich aus der Hausarbeit und den familiären Pflichten, während heutzutage die Mehrzahl von ihnen einer bezahlten Arbeit nachgeht. Die Zukunft der AHV ist also nicht gefährdet, und es gibt keinen triftigen Grund, das Rentenalter zu erhöhen.