Es gab 2020 nicht nur Hiobsbotschaften für die Kultur: In Basel konnten mit dem Musiksaal im Stadtcasino, dem Don Bosco und dem Proberaum am Picassoplatz mehrere Säle für Musik nach Renovationen und Umbauten eingeweiht werden. Ein grosser Gewinn für die Basler Musikkultur.
Der Musiksaal im Basler Stadtcasino ist das erste eigens erbaute Konzerthaus in der Schweiz. Mit der Kunsthalle und dem (1975 abgerissenen) Stadttheater bildete er bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert eine architektonisch einheitliche Kulturmeile am Steinenberg, die von Johann Jakob Stehlin-Burckhardt entworfen wurde. Seine ästhetische und akustische Qualität wurde auch international gewürdigt. Der Bau von 1876, der an das fünfzig Jahre früher erbaute Stadtcasino des bekannten Basler Architekten Melchior Berri anschloss, besass eine Bühne, die für 50-60 Musiker berechnet war. Spätere An- und Umbauten ergänzten den Saal mit einer Orgel und einem Kammermusiksaal, dem Hans Huber-Saal. Ausserdem wurde auch das Podium vergrössert.
Projekte für ein zeitgemässes Konzerthaus
Das alte Stadtcasino wurde 1938 abgebrochen und durch das noch heute bestehende ersetzt. Da die Konzertfoyers und die Infrastruktur hinter der Bühne des Musiksaals in die Jahre gekommen waren, wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts ein Neubau des gesamten Casino-Komplexes – selbstverständlich ohne den denkmalgeschützten Musiksaal anzutasten – ins Auge gefasst. Den internationalen Wettbewerb gewann die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid, 2007 wurde ihr Projekt aber in einer Volksabstimmung abgelehnt. Das Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron erhielt kurze Zeit später von der Casino-Gesellschaft den Auftrag, ein Projekt für ein zeitgemässes Konzerthaus zu erarbeiten. Da der Musiksaal ursprünglich als eigenständiger Palazzo entworfen worden war, entschloss man sich, den bestehenden Baukörper in der gleichen Architektursprache auszubauen und an die Barfüsserkirche anzunähern. Zwischen Casino und Musiksaal wurde eine ursprünglich existierende Gasse wieder geöffnet. Der Eingang zum Musiksaal wurde vom Steinenberg an die Gebäuderückseite am Barfüsserplatz verlegt, was zweifellos eine Verbesserung darstellt.
Festliche Atmosphäre
Nach umfangreichen archäologischen Untersuchungen konnte die Erweiterung in Angriff genommen werden. Von aussen kaum als Neubau erkennbar, erhielt der Musiksaal grosszügige Foyers im Erdgeschoss und im 1. Stock sowie neu konzipierte Garderoben und Toiletten. Überall ist spürbar, dass die Architekten den Konzertbesuch zu einem festlichen Erlebnis machen wollen. Viele Zitate von Details des „alten“ Saals, interessante Durchblicke und Nischen, spektakuläre Treppenhäuser und die neu entworfenen „Parrucca“-Leuchten ergeben ein abwechslungsreiches Ganzes. Rote Brokat-Tapeten, vom gleichen Hersteller wie diejenigen in der Pariser Opéra Garnier, tragen besonders zur speziellen Atmosphäre bei.
Natürlich hätte die ganze Renovation keinen Sinn gehabt, wenn der Saal darunter gelitten hätte, was aber nicht der Fall ist. Es wurde grosser Wert darauf gelegt, die Akustik derjenigen der Entstehungszeit anzunähern. Der Klang sollte hell und obertonreich sein. Das ist den Akustikern auch gelungen, allerdings haben die Konzerte der ersten Spielzeit gezeigt, dass im „neuen“ Musiksaal wohl etwas weniger laut gespielt werden sollte, was vermutlich ein frommer Wunsch bleiben wird. Der Musiksaal, in dem theoretisch fast jedes Werk des Repertoires gespielt werden kann, ist für Werke bis zur Spätromantik auf jeden Fall immer noch einer der besten Säle seiner Art.
Eine Erfolgsgeschichte in der Basler Breite
Im 21. Jahrhundert gab es in Basel für alle Orchester zunehmend Probleme, geeignete Probenräumlichkeiten zu finden. Eine Lösung ergab sich durch zwei Umnutzungen von Kirchenräumen. Die Don Bosco-Kirche im Basler Breite-Quartier wurde von Hermann Baur, einem bedeutenden Schweizer Architekt, entworfen und 1934-37 gebaut. Christoph Müller, ehemaliger Cellist und heutiger Konzertmanager, erfuhr, dass die römisch-katholische Kirche keine Verwendung mehr dafür hatte und erkannte das Potenzial des Raums. Müller fand mit der ihm eigenen Energie und beachtlichem Durchsetzungsvermögen Geldgeber und Unterstützer für das 12-Millionen-Projekt. Ein 2016 gegründeter gemeinnütziger Verein Kulturzentrum Don Bosco, dessen Präsident Müller heute ist, konnte die Kirche im Baurecht übernehmen. Das Kammerorchester Basel, die Basel Sinfonietta – die beide auch ihre Geschäftsstellen im Don Bosco haben – , die Mädchenkantorei Basel und die Musikakademie sind die Hauptnutzer der umgebauten Kirche. In Zusammenarbeit mit dem Architekt Martin Pfister entstand ein Konzertsaal mit fast idealen Proportionen. Der Nachhall konnte durch verschiedene Einbauten auf eine perfekte Dauer reduziert werden, die ausserdem verändert werden kann. Neben einem grossen Saal mit 500 Plätzen, dem Paul Sacher Saal, entstand auch zusätzlich das kleinere Heinz Holliger Auditorium mit 50 Plätzen. Im Untergeschoss gibt es weiterhin eine Kapelle, die von der Kirchgemeinde genutzt wird. Die Infrastruktur kommt allen Bedürfnissen entgegen. Das Don Bosco, in dem zahlreiche Konzerte stattfanden und Aufnahmen gemacht wurden, hat sich im ersten Jahr seines Bestehens bereits bestens etabliert. Eine Zukunftsvision ist der Betrieb einer Kantine und vielleicht sogar eines öffentlichen Restaurants, das auch vom schönen grünen Innenhof profitieren könnte.
Vorsichtiger Umgang mit einem Meisterwerk
Etwas anders sieht die Situation bei der zweiten umgenutzten Kirche aus: 2016 erwarben die Immobilien Basel-Stadt von der First Church of Christ, Scientist die von Otto Rudolf Salvisberg entworfene Kirche von 1935-36 am Picassoplatz hinter dem Basler Kunstmuseum, mit der Idee, sie dem Sinfonieorchester Basel als Proberaum zur Verfügung zu stellen. Salvisbergs Kirchengebäude, ein beeindruckender Bau, gilt als eines der Meisterwerke des berühmten Architekten. Entsprechend mussten Beer Merz Architekten bei ihrem Umbau sehr vorsichtig ans Werk gehen. Der Schallschutz, der Brandschutz, der Erdbebenschutz und die Gebäudetechnik mussten auf den neusten Stand gebracht werden, ohne dass man davon etwas sehen sollte. Um Platz für ein Sinfonieorchester zu bieten, mussten die meisten Sitzreihen der Kirche weichen. Deshalb gibt es nur einige wenige (Publikums-)Plätze auf der Empore, was Konzerte fast verunmöglicht.
Licht und Schatten
Die hohen und hellen Fenster zu beiden Seiten des Kirchenschiffs schaffen eine freundliche Atmosphäre, die sicher vom Orchester geschätzt wird. Sehr gross besetzte Orchesterwerke können allerdings aus Gründen der Lautstärke hier nicht geprobt werden. Problematisch ist auch die Tatsache, dass es kaum Nebenräumlichkeiten gibt. Probespiele können hier deshalb nicht abgehalten werden. Positiv ist hingegen, dass die ganze Verwaltung des Orchesters hier ebenfalls Platz gefunden hat. Ein verständlicher Wunsch des Orchesters ist es, dass der Proberaum aus dem Finanz- ins Verwaltungsvermögen der Stadt transferiert werden sollte, da ein hoher Mietzins bezahlt werden muss.
Auch wenn es am Picassoplatz neben viel Licht auch etwas Schatten gibt, ist die Probensituation für das Orchester auf jeden Fall besser als früher, und ein bedeutendes Architekturdenkmal des 20. Jahrhunderts konnte einer neuen Nutzung zugeführt werden.
Die Casino-Gesellschaft Basel hat einen sehr schönen Band über das Stadtcasino Basel herausgegeben:
Esther Keller, Sigfried Schibli et al.: Stadtcasino Basel – Gesellschaft, Musik und Kultur, Friedrich Reinhardt Verlag (2020), ISBN: 978-3-7245-2436-6
www.stadtcasino-basel.ch
www.donboscobasel.ch
www.proberaum.ch
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