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5. Internationale Orchesterkonferenz der FIM

Photo: Emma Larsson

Ende Oktober nahm der SMV an der 5. Internationalen Orchesterkonferenz in Malmö, Schweden, teil. Diese grosse Konferenz wurde von der Internationalen Musikerföderation (FIM) organisiert, deren Gründungsmitglied der SMV ist. An der Veranstaltung wurden zahlreiche Themen behandelt, darunter die physische und psychische Gesundheit von Musikern, Mobbing und Belästigung, die Berücksichtigung von Klimaschutz und viele andere.  Der SMV leistete seinen Beitrag in zwei Panels: Für Solidarität im Orchester und auf internationaler Ebene sorgen: eine gewerkschaftliche Strategie, moderiert von Beat Santschi, Zentralsekretär des SMV und Vizepräsident der FIM. Jessica Frossard, Gewerkschaftssekretärin des SMV und freischaffende Musikerin, nahm am Panel: Freiberufliche Musiker*innen im Orchester: derselbe Beruf, damit dieselben Rechte? teil, wo sie den Schleier über der Kluft zwischen freischaffenden und festangestellten Musikern und Musikerinnen lüftete.

In der Schweiz erreichen freischaffende Musikerinnen und Musiker aufgrund der kurzen Dauer ihrer Engagements selten die Schwellenwerte, die für die Eröffnung von Ansprüchen auf Sozialleistungen erforderlich sind, wie: Krankenstand, Rente (BVG), Mutterschaftsurlaub. Sie stellte auch die Problematik zweier Massnahmen zum Schutz schwangerer Frauen dar, die mit dem Wesen des Berufs der Orchestermusikerin unvereinbar sind und de facto eine Diskriminierung darstellen. – Die Obergrenze von 85 dB (durchschnittlicher Schalldruck während 8 Stunden) und das Verbot, während der letzten beiden Monate der Schwangerschaft zwischen 20 Uhr und 6 Uhr zu arbeiten.

„Es ist eine einzigartige Erfahrung, für eine gemeinsame Sache zusammenzukommen und wesentliche Fragen mit Fachleuten zu diskutieren, die ähnliche Erfahrungen machen, aber andere Ressourcen und eine andere Kultur haben, sowohl was die politische Funktionsweise ihres Landes als auch die Mentalität in Bezug auf den Beruf und das Image jeder Gesellschaft in Bezug auf die hochkarätige Musik betrifft, die in den Berufsorchestern der von der FIM vertretenen Länder geboten wird. Die Arbeit war intensiv und der Austausch fruchtbar“. Jessica Frossard, Gewerkschaftssekretärin SMV.

 

5. INTERNATIONALE FIM-ORCHESTERKONFERENZ
Malmö, 23.- 26 Oktober 2024

SCHLUSSFOLGERUNGEN

1. Wie kann das Orchester modernisiert werden? Muss das Konzept des Orchesters überarbeitet werden? Wenn ja, wie? (Managerpodiumsdiskussion)
• Musiker*innen und Manager*innen müssen zusammenarbeiten, um die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger*innen zu gewinnen und die Orchester an die Erwartungen der Gesellschaft, den neuen Publikumsgeschmack und die neuen Technologien anzupassen.
• Klassische Musik ist eine Bereicherung, aber der Musikgeschmack der Gesellschaft ist nicht einheitlich. Wir können es uns nicht leisten, weiterhin alle unsere Ressourcen dem traditionellen Orchesterrepertoire zu widmen. Orchester müssen kreativ sein, neue Formate ausprobieren, neue Arten von Musik spielen, das, was sie dem Publikum bieten, neu erfinden und somit mehr Menschen erreichen.
• Führungskräfte müssen offen für die Ideen von Musiker*innen sein, welche die Orchester wiederbeleben können. Wir müssen alle an einem Strang ziehen.

2. Vorspielen und Neueinstellungen. Wie können faire und transparente Einstellungsverfahren zur Verbesserung von Gleichstellung, Vielfalt und Integration beitragen?
• In Nordamerika betrachten die Gewerkschaften das Vorspielen hinter einem Paravent als Standard undempfehlen, den Paravent während des gesamten Auswahlverfahrens stehen zu lassen. In Deutschland wird der Paravent für die letzte Runde entfernt, um die soziale Anpassungsfähigkeit der Bewerber*innen als Auswahlkriterium miteinzubeziehen.
• In einigen Orchestern oder Ländern werden die Bewerbungen gefiltert und nur ein Bruchteil der Bewerber*innen wird zum Wettbewerb eingeladen. In anderen Ländern können alle Bewerber*innen teilnehmen.
• Gewerkschaften können dazu beitragen, die Fairness des Einstellungsverfahrens zu gewährleisten. In einigen Orchestern oder Ländern hängt die Auswahl vollständig von den Orchestermitgliedern ab. Bei Gleichstand hat die Stimme des Dirigenten oder Managers nicht unbedingt Vorrang.
• Die Dauer der Probezeit variiert zwischen einem Monat und zwei Jahren. In manchen Ländern hängt die Bestätigung der Einstellung ausschließlich von den Mitgliedern des Orchesters am Ende der Probezeit ab.
• Das Auswahlverfahren kann eine verzerrte Repräsentativität zur Folge haben. Obwohl in vielen Orchestern Fortschritte bei der Ausgewogenheit zwischen Männern und Frauen erzielt wurden, bleibt die Diversität unter den Bewerber*innen und innerhalb des Orchesters problematisch. Das Streben nach Spitzenleistungen ist weder eine Erklärung noch eine Rechtfertigung für diese mangelnde Vielfalt. Es ist notwendig, die Wettbewerbsjurys für unbewusste Präferenzen zu sensibilisieren, um gerechtere Entscheidungen zu gewährleisten.
• Die Zusammenarbeit mit Konservatorien und Musikschulen sollte intensiviert werden, um Bedingungen zu schaffen, die es Orchestern ermöglichen, mehr Vielfalt zu bieten und integrativer zu sein.
• Die Ausbildung in Führungsqualitäten von Instrumentengruppenleiter*innen kann dazu beitragen, das Arbeitsumfeld und den Zusammenhalt in der Instrumentengruppe zu verbessern.
• Musiker*innen investieren viel Arbeit und Ressourcen, um reisen und vor einer Einstellungsjury spielen zu können. Sie alle verdienen Respekt und sollten während des Auswahlverfahrens das bestmögliche Umfeld vorfinden.

3. Berücksichtigung von Umwelt- und Klimathemen. Umweltpolitik und ihre potenziellen Auswirkungen auf Arbeit, Beschäftigung und kulturellen Austausch.
• Die Bemühungen, den Planeten für künftige Generationen zu erhalten, dürfen die vorrangige Rolle der Gewerkschaften beim Schutz und der Förderung der Arbeitnehmerrechte nicht überschatten.
• Mehrere Orchester oder Orchestergruppen haben Leitlinien veröffentlicht, die dabei helfen sollen, die Herausforderung des Klimawandels zu bewältigen. Diese Leitlinien können eine Quelle der Inspiration sein. Orchester spielen auch eine Rolle bei der Sensibilisierung von Umweltthemen.
• Wenn das Orchester nicht Eigentümer des Konzertsaals ist, hat es oft nur wenig Einfluss auf Renovierungsinitiativen, die dazu beitragen könnten, den CO2-Fußabdruck des Gebäudes zu verringern.
• Die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks ist notwendig, aber auch die Anpassung an ein sich änderndes Klima (extreme Temperaturen, Überschwemmungen, Brände) ist von entscheidender Bedeutung, um den Beschäftigten ein angemessenes Arbeitsumfeld zu bieten.
• Tourneen müssen rationalisiert werden, wobei der Planung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Die Anzahl und der Ort der Aufführungen am Zielort sollten optimiert werden. Dies kann dazu beitragen, den CO2-Fußabdruck des Orchesters pro Zuschauer zu reduzieren.
• Das Wiederaufforstungsprogramm „Orchestra of Change“ in Madagaskar und Brasilien (in Partnerschaft mit UNISONO) ist ein konkretes Projekt, das sich positiv auf die lokale Bevölkerung und das Image der Orchester auswirkt. https://www.orchester-des-wandels.de/.
• Initiativen im ökologischen Bereich sollten von der Leitung und den Musiker*innen gemeinsam untersucht und bewertet werden.

4. Mobbing und Belästigung. Wie der Orchesteralltag von Mobbing und Belästigung befreit werden kann.
• Obwohl in vielen Ländern angemessene Gesetze verabschiedet wurden, sind Einschüchterung und Belästigung nach wie vor schwer auszumerzen, vor allem wenn sie freiberufliche Musiker*innen betreffen, die nur wenige Arbeitnehmerrechte haben. Aushilfsmusiker*innen, freiberufliche oder in der Probezeit befindliche Musiker*innen sind besonders gefährdet.
• Viele Opfer zögern aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen oder um Kolleg*innen oder Freund*innen nicht zu belasten, die Vorfälle zu melden.
• Arbeitgeber haben die Pflicht, für einen sicheren Arbeitsplatz zu sorgen, auch für Studierende. Die Gewerkschaften spielen eine Rolle bei der Gewährleistung eines sicheren Arbeitsplatzes.
• Die Förderung einer Kultur des Respekts unter Orchestermusiker*innen, einschließlich neu eingestellter Kolleg*innen, kann dazu beitragen, ein günstigeres Umfeld zu schaffen.
• Arbeitgeber reagieren oft zu langsam. Ohne unmittelbare Konsequenzen können kleinere Übertretungen zu schwerwiegenderen Entgleisungen führen. Eine transparente Kommunikation und eine schnelle Reaktion sind von entscheidender Bedeutung.
• Das Ignorieren persönlicher Grenzen, nicht verlangte Intimität, falsche Beurteilungen und andere Probleme können wirksam gelöst werden, indem Musiker*innen und alle anderen Berufsgruppen, die im und mit dem Orchester arbeiten, geschult werden. Verhaltensmaßnahmen müssen entwickelt, veröffentlicht und verstärkt werden.
• Orchester sind hierarchische Organisationen. Bei Solist*innen, Stimmführer*innen und Dirigent*innen kann ein Gefühl der Unverwundbarkeit bestehen. Dies erfordert besondere Aufmerksamkeit.
• Das Management und die Gewerkschaften müssen bereit sein, die Opfer von Belästigung oder Einschüchterung weiterzuverfolgen und ihren Arbeitsplatz zu schützen.

5. Schutz der körperlichen und psychischen Gesundheit von Musiker*innen. Verletzungsrisiken im Zusammenhang mit Arbeitsüberlastung. Sensibilisierung für Probleme der psychischen Gesundheit.
• Erhebliche Bemühungen sind erforderlich, um die offizielle Anerkennung der spezifischen Berufsleiden von Musiker*innen, insbesondere der fokalen Dystonie, zu erreichen.
• Wenn von psychischer Gesundheit die Rede ist, so geht es in der Regel vor allem um Lampenfieber. Es gibt allerdings viele andere psychische Beschwerden. Beispielsweise kann Lärmbelastung Beschwerden wie Tinnitus, Hörverlust oder Hyperakusis verursachen, die wiederum psychische Probleme wie Schlafstörungen, Nervenzusammenbrüche oder Stress auslösen können.
• Ohne angemessene Vorbeugung können Verletzungen auftreten, die eine spezielle Behandlung in spezialisierten medizinischen Zentren erfordern.
• Früher wurden psychische Belastungen und Stress nicht als Probleme betrachtet. Heute wird die Verbindung zwischen Körper und Geist besser erkannt, aber um Fortschritte zu erzielen, sind Investitionen erforderlich.
• Produktivitätssteigerungen dürfen niemals auf Kosten der Gesundheit der Musiker*innen erfolgen. Streiks und andere kollektive Maßnahmen können notwendig sein, um zu erreichen, dass Gesundheitsprobleme angemessen behandelt werden.
• Der Anteil von Musiker*innen mit gesundheitlichen, einschließlich psychischen, Problemen ist im Vergleich zu den meisten anderen Berufen extrem hoch. Regelmäßige körperliche und geistige Kontrollen des Wohlbefindens sind erforderlich.
• Corona grassiert weiterhin und „Long COVID“ hat verheerende Folgen. Eine angemessene Belüftung von Konzertsälen kann dazu beitragen, diese Erkrankungen zu verhindern.
• Für Musiker*innen und insbesondere für Freiberufler*innen, die sich in einer prekären Situation befinden, kann es schwierig sein, sich ihre Verletzlichkeit einzugestehen. Nicht alle Musiker*innen arbeiten Vollzeit oder erhalten Sozialleistungen. Stigmatisierung kann die Krankheit verschlimmern. Einfühlungsvermögen und menschliche Führung sind von entscheidender Bedeutung. Workshops oder Kaffeegespräche, bei denen man sich besser kennenlernt und Vertrauen aufbaut, können helfen, ein natürlicheres Einfühlungsvermögen am Arbeitsplatz zu entwickeln.
• Ruhige Räume in der unmittelbaren Umgebung des Konzertsaals können Musiker*innen helfen, sich nach einem anspruchsvollen oder lauten Auftritt zu entspannen.
• Körperliche Verletzungen und psychische Gesundheit sind oft miteinander verbunden und müssen möglicherweise gemeinsam behandelt werden.
• Musiker*innen sind selbst dafür verantwortlich, für ihre Gesundheit Sorge zu tragen. Es ist wichtig, sie für Stress und andere Gesundheitsprobleme zu sensibilisieren.
• Wenn Orchester in finanzielle Schwierigkeiten geraten, können Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit zweitrangig werden, was nicht hinnehmbar ist.
• Es ist entscheidend, Geldgeber und Finanzierungsorganisationen davon zu überzeugen, dass Investitionen in Sicherheit und Gesundheit der gesamten Organisation, einschließlich deren Publikum, zugutekommen.

6. Das Orchester und Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben. Mutterschaft, Elternschaft, Familienleben (Betreuung von Kindern und älteren Elternteilen).
• Mütter oder Personen, die Kinder und ältere oder behinderte Angehörige betreuen, können diskriminiert werden. Männer sind oft gezwungen, nach der Geburt eines Kindes schnell wieder arbeiten zu gehen, was Folgen für die Mutter hat. Besondere Probleme wie Fehlgeburten werden nicht berücksichtigt.
• Übermäßiger Stress verschlechtert die Qualität der Arbeit. Überlastung unter anspruchsvollen Arbeitsbedingungen kann das Privatleben beeinträchtigen. Unzureichende Gehälter veranlassen
Musiker*innen dazu, mehr als einen Job zu haben, was ihnen ein normales Familienleben verwehrt.
• In Japan können Musiker*innen und Zuschauer*innen ihre Kinder zum Konzert mitbringen, die während der Aufführung betreut werden. Musiker*innen, die sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, haben zu diesem Zweck Anspruch auf freie Tage.
• In Deutschland sind Musiker*innen häufig mit einem Mangel an Empathie seitens des Managements konfrontiert. Nur sehr wenige freie Tage werden für besondere Umstände wie Familienereignisse gewährt. Derzeit enthalten die Tarifverträge keine zufriedenstellenden Bestimmungen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben.
• Die neuen Generationen haben tendenziell höhere Erwartungen oder Ansprüche an die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Viele Musiker*innen sind sich ihrer Rechte nicht ausreichend bewusst.
• Ältere Musiker*innen sollten das Recht auf mehr Freizeit haben. Einige Orchester bieten Teil- oder Vorruhestandspläne an, die ihren besonderen Bedürfnissen gerecht werden können.
• Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sollte in Tarifverhandlungen miteinbezogen werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte Selbstständigen gewidmet werden, die dem Risiko ausgesetzt sind, auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden.
• In Costa Rica hat sich eine Kultur des Wohlbefindens entwickelt, die auf einem ganzheitlichen Ansatz für die Gesundheit der Menschen beruht.

7. Orchestermusiker*innen: ein neuer Berufsstand? Beeinflussen neue Repertoires / Publikumsgruppen den Umfang oder die Art der Arbeit der Musiker*innen? Weiterbildung und berufliche Entwicklung.
• Orchester beteiligen sich zunehmend an Programmen, die neue Formate oder Genres wie Fantasy oder Videospiele beinhalten. Es besteht eine Nachfrage nach mehr Produktionen, die manchmal mit weniger Ressourcen auskommen müssen. Neue Trends müssen nicht unbedingt der Feind des Orchesters sein, wenn sie richtig geplant werden. Bei höherem Arbeitsdruck kann die Diversifizierung des Repertoires zu Katastrophen führen, wenn sie schlecht gehandhabt wird.
• Ein guter Ausgleich zwischen Musikgenres kann sich positiv auswirken, indem damit das Spektrum des Publikums erweitert wird. Neue Repertoires können auch neue Partner mit sich bringen.
• Der Produktivität den Vorrang zu geben, kann mit einem Mangel an Aufmerksamkeit für die Entwicklung des Orchesters, der Sektionen und der Musiker*innen als Individuen einhergehen. Musiker*innen können sich anpassen und viele Dinge tun, aber sie brauchen Zeit. Neue Initiativen können erfolgreich sein, wenn Musiker*innen an der Gestaltung und Entwicklung beteiligt werden.
• Lebenshaltungskosten sind gestiegen und Gehälter halten nicht Schritt. Weniger Geld für mehr Arbeit ist ein Problem. Dies kann sich sowohl auf die Qualität der Aufführungen als auch auf die Gesundheit der Musiker*innen auswirken. Tarifverhandlungen sind von grundlegender Bedeutung und gewerkschaftliche Maßnahmen können erforderlich sein.
• Einige Mitglieder des Publikums gingen nach der Corona-Pandemie nicht mehr in Konzerte zurück. Neue Programmsegmente wie Nachmittagskonzerte, Konzerte für Kinder oder die Zusammenarbeit mit Haftanstalten zur Unterstützung der Resozialisierung können hilfreich sein.
• In Kenia war klassische Musik früher nur wenigen Privilegierten vorbehalten. Anhaltende Bemühungen, Musik und Musikerziehung zugänglicher zu machen, haben dazu geführt, dass viele Menschen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund Zugang zu klassischer und Orchestermusik haben, was zu einem Anstieg der Zuschauerzahlen geführt hat.
• Eine gute Möglichkeit, die Zahl der Konzertbesucher*innen zu erhöhen, besteht darin, dem potenziellen
Publikum entgegenzukommen.

8. Freiberufliche Musiker*innen im Orchester: derselbe Beruf, damit dieselben Rechte? Haben freiberufliche Musiker*innen dieselben Rechte wie fest angestellte Arbeitnehmer*innen? Auswirkungen von Lärmschutzbestimmungen auf die Beschäftigung schwangerer freiberuflicher Musikerinnen.
• In Frankreich werden die Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen auf nationaler Ebene mit den vertretenden Gewerkschaften ausgehandelt. Eine Sonderregelung ermöglicht es selbstständigen Künstler*innen und Technikern, für die Tage, an denen sie arbeitslos sind, eine Entschädigung zu erhalten, sofern sie im Jahr mindestens 507 Stunden gearbeitet haben.
• Orchester könnten ohne freiberufliche Musiker*innen nicht funktionieren. Freiberufler*innen erhalten jedoch nicht unbedingt die gleiche Vergütung wie ihre festangestellten Kolleg*innen: Sie beziehen häufig niedrigere Gehälter, die nicht ausreichen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Diejenigen, die im Rahmen eines Tarifvertrags arbeiten, sind besser geschützt als diejenigen, die außerhalb eines Tarifvertrags arbeiten.
• In der Vergangenheit waren die Gewerkschaften nicht effektiv genug, um selbstständige Musiker*innen zu vertreten, aber das ändert sich gerade. Es muss Vertrauen zwischen freiberuflichen und festangestellten Musiker*innen aufgebaut werden. Transparentes Vorspielen für Aushilfsmusiker*innen sind notwendig, um Vetternwirtschaft und andere Verzerrungen zu vermeiden.
• Freiberufler*innen sollten in der Gewerkschaft und in der Orchestergemeinschaft auch etwas zu mitzureden haben, da nur sie selbst ihre Arbeit und ihre besonderen Herausforderungen darstellen können. In Australien macht die Gewerkschaft Fortschritte, um bessere Rechte und Löhne für Freelancer zu erreichen sowie geeignete Taktiken zu entwickeln.
• Freelancer sind gefährdet, wenn sie als Gewerkschaftsaktivist*innen identifiziert werden. Die Angst, sich zu äußern, ist für Freelancer belastend, da sie auf eine schwarze Liste gesetzt werden können, wenn sie für ihre Rechte eintreten.
• Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sollte als Grundprinzip gefördert werden.
• Der Mutterschaftsurlaub ist eine Herausforderung für Freelancer. Viele freiberufliche Musikerinnen trauen sich nicht, ihre Rechte geltend zu machen, und fühlen sich als Musikerinnen zweiter Klasse behandelt.
• Festangestellte Musiker*innen, deren vertraglicher Status untergraben wurde, müssen unter Umständen mit freiberuflichen Musiker*innen um die gleichen Stellen konkurrieren.
• In den Niederlanden ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass Freelancer mit 25 Jahren Berufserfahrung höhere Löhne erhalten als junge Freelancer ohne Berufserfahrung. Dieser Grundsatz führt dazu, dass es weniger Arbeitsangebote für ältere Freelancer gibt.
• In der Schweiz erreichen freiberufliche Musiker*innen aufgrund der kurzen Dauer ihrer Engagements nicht die Schwellenwerte, die für die Eröffnung von Ansprüchen auf Sozialleistungen erforderlich sind: Krankenstand, Rente (BVG), Mutterschaftsurlaub usw.
• Die schweizerische Gesetzgebung, die schwangere Frauen und den Fötus schützt, enthält zwei Bestimmungen, die mit unserem Beruf unvereinbar sind: die Obergrenze von 85 dB (durchschnittlicher Schalldruck während 8 Stunden) und das Verbot, während der letzten beiden Monate der Schwangerschaft zwischen 20 Uhr und 6 Uhr morgens zu arbeiten. Die Nichteinhaltung dieser Maßnahmen führt zu einem Arbeitsverbot. Während bei festangestellten Arbeitnehmer*innen der Arbeitgeber für angemessene Arbeitsbedingungen sorgen oder den Einkommensverlust ausgleichen muss, werden schwangere freiberufliche Musikerinnen einfach nicht mehr eingestellt, was de facto zu einer Diskriminierung führt. Im Schweizer Parlament wurde ein Antrag eingereicht, um eine Lösung zu finden.
• In vielen Ländern haben freiberufliche Musiker*innen kein Streikrecht. Technisch gesehen stellt die Teilnahme an einem Streik einen Vertragsbruch dar.

9. Für Solidarität im Orchester und auf internationaler Ebene sorgen: eine gewerkschaftliche Strategie: Zusammenhalt ist lebenswichtig. Strategien zur Steigerung von Solidarität im Orchester.
• Solidarität ist die Grundlage der Gewerkschaftsbewegung und ein Bestandteil unserer Organisationen. Sie
beruht auf der Identifizierung gemeinsamer Ziele. Sie muss geschützt werden, aber das ist auch eine echte Herausforderung. Zur Gewerkschaftsbewegung zu gehören, bedeutet nicht nur, zu dienen oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
• In Deutschland wurde aus DOV UNISONO, um die Bedeutung der Solidarität zu unterstreichen und mit einer Stimme zu sprechen. Es ist entscheidend, ein Gleichgewicht zwischen denen zu finden, die in kleinen und großen Orchestern arbeiten, oder zwischen freiberuflichen und festangestellten Musiker*innen, um sich auf eine gemeinsame Vision und gemeinsame Ziele zu konzentrieren.
• Solidarität ist nicht nur auf Musiker*innen beschränkt. Sie erstreckt sich auch auf die Arbeitspartner, und die Solidarität mit dem Orchestermanagement kann wertvoll sein, um die gemeinsamen Werte, die in der Branche gelten sollten, zu bekräftigen und zu schützen.
• Es gibt viele Beispiele für Solidarität, z. B. wenn langjährige Musiker*innen anbieten, ihr Gehalt zu reduzieren, damit neue Orchestermitglieder die gleichen Vorteile genießen können.
• Freiberufler*innen nehmen zunehmend an Gewerkschaftstreffen teil und haben so Zugang zu Informationen und Mittel, um ihre Rechte durchzusetzen.
• Internationale Solidarität ist ebenfalls wichtig und kann Politiker, Förderorganisationen und Spender beeinflussen. Wenn sie zeigen, dass die Welt auf sie schaut, hat dies eine bedeutende Wirkung auf sie.
• Solidarität stärkt unsere Handlungsmöglichkeiten gegenüber skrupellosen Arbeitgebern, um Löhne und Arbeitsbedingungen zu erhöhen, aber auch um Bedrohungen der Rechte an geistigem Eigentum, insbesondere der KI, zu begegnen.
• Der Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren ist ebenfalls Teil der globalen Solidarität.
• Ein Streik ist ein entscheidender Akt der Solidarität, wenn andere kollektive Aktionen gescheitert sind. Um erfolgreich zu sein, müssen die Gewerkschaften Kampagnen führen und erklären, warum Musiker*innen zu diesem ultimativen Akt der Solidarität gezwungen sind. Andernfalls werden sie scheitern. Sie müssen auch dafür sorgen, dass sie die Unterstützung ihrer Auftraggeber und aller Musiker*innen im Orchester erhalten.
• Für Musiker*innen ist es einfacher, andere Aktionsformen zu wählen als zu streiken. Da die Mitglieder des Publikums Verbündete sind, müssen wir ihnen die Gründe für gewerkschaftliche Maßnahmen erläutern.